Pilotphase in Deutschland
Die Kulturstiftung des Bundes fördert bis 2022 eine sechsjährige Pilotphase. Dabei entstehen in zwei deutschen Modellregionen neue Kunstprojekte im Auftrag von Bürgerinnen und Bürgern. Mediator*innen mit langjähriger Projekterfahrung sind die Ansprechpartner*innen vor Ort und arbeiten mit Partnerinstitutionen als regionalen Ankerpunkten zusammen.
Nachdem in Europa bereits tausende Bürger hunderte Projekte als Neue Auftraggeber verwirklicht haben, unterstützt in Deutschland die Kulturstiftung des Bundes dieses Modell, um es auch hierzulande einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Es sollen beispielhafte Projekte entstehen, die zeigen, wie wichtig und spannend eine zeitgenössische Kunst ist, die sich bürgerschaftlichen Anliegen stellt und Fragen aus allen Bereichen der Gesellschaft verhandelt.
Das Berliner Büro der Gesellschaft der Neuen Auftraggeber koordiniert diese Pilotphase seit Mai 2017. Ein kleines Team arbeitet daran, gemeinsam mit Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in den Modellregionen neue kulturelle Potenziale zu erkennen. Um auch außerhalb der großen Zentren herausragende Projekte zu realisieren und wertvolle soziale Dynamiken anzustoßen, braucht es neue Allianzen aus allen Bereichen der Gesellschaft. Neue Auftraggeber sucht dafür aktiv Partner – in Deutschland, in Europa und darüber hinaus.
Das Team entwickelt zusätzlich Veranstaltungsformate wie Runde Tische, Think Tanks, Fortbildungen und Vortragsreihen, sowie für Frühjahr 2020 einen internationalen Kongress der Neuen Auftraggeber in Berlin.
Regionen und Ankerpunkte
Gesellschaftliche Veränderungen sind eine Herausforderung für uns alle. Dies zeigt sich auch in den zwei Modellregionen, auf die sich die Neuen Auftraggeber in Deutschland mit Unterstützung der Kulturstiftung des Bundes derzeit konzentrieren. In einer Flächenland- und einer Industrieregion sammeln wir mit jedem Projekt neue Erfahrungen, die dann nach und nach auch anderen Regionen zu Gute kommen. In enger Zusammenarbeit zwischen dem Berliner Büro, den Mediatorinnen und unseren lokalen Partnerinstitutionen, den Ankerpunkten, werden nachhaltige Kooperationen aufgebaut, die auch künftig neuen Projekte der Neuen Auftraggeber den Weg ebnen sollen. Die Ankerpunkte sind dabei regionale Anlaufstellen und Kommunikationszentren für die Projektarbeit der Mediatorinnen, Bürgerinnen und Künstler.
Die Modellregionen

Flächenlandregion Nord-Ost, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg
Die Menschen in der Flächenlandregion Nord-Ostdeutschland stehen vor Herausforderungen. In der Vergangenheit sind viele Einwohner aus Städten und dörflichen Gemeinschaften abgewandert. Gleichzeitig entwickelt sich Wohlstand in einzelnen Zentren. Die erste Abwanderungswelle hat nicht nur die Wirtschaft, Verwaltungsstrukturen und Institutionen verändert. Betriebsschließungen und Schrumpfungen haben auch die kulturelle Identität stark beeinflusst, die seitdem durch Umsiedlungen und Neuzuzüge wiederum neuen Einflüssen unterworfen ist. Auffällig wird dieser Identitätswandel immer dann, wenn sich Gruppen politisch radikalisieren. Neue Auftraggeber setzt aber schon bei unterschwelligen Transformationsprozessen an und hilft dabei, Zukunftsvisionen abseits von Klischees konstruktiv zu verhandeln. Kultur kann hier an verhärteten Fronten vorbei zeigen, wie sich das lokale Gemeinwesen weiterentwickeln und von seinen Mitgliedern gestaltet werden kann.

Industrieregion im Wandel West Nordrhein-Westfalen / Ruhrgebiet
Das Ruhrgebiet ist zum Sinnbild eines nicht endenden wirtschaftlichen Strukturwandels geworden. Der industrielle Rückbau und der Übergang in die Dienstleistungsgesellschaft ist aber nicht das einzige Thema der Region, die sich besonders intensiv mit der eigenen Geschichte und Kultur auseinandergesetzt hat. Auch die Übergangszonen zwischen Stadt und Land, der Umbau urbaner Strukturen, Migration und Bildung sind wichtige Fragen an Rhein und Ruhr, wo es nicht nur um Probleme wie die Überschuldung der Kommunen und soziale Spaltungstendenzen geht. Auch neue solidarische Strukturen und Zukunftsvisionen prägen das Selbstverständnis. Mit dem Rheinland zählt eine zweite Region zwischen Urbanität und ländlichem Raum zur westlichen Modellregion der Neuen Auftraggeber. An der Grenze zu Belgien und den Niederlanden entwickeln sich hier in einem Transformationsraum mit ganz eigener kultureller Prägung neue Strategien im Umgang mit dem sozialen und wirtschaftlichen Wandel.
Ankerpunkte

Schloss Bröllin e.V. © Schloss Bröllin e.V. Archiv
Schloss Bröllin
Schloss Bröllin in Mecklenburg-Vorpommern liegt in der deutsch-polnischen Grenzregion. 1992 wurde der Schloss Bröllin e.V. gegründet und ist ein internationales Produktionsforum für experimentelles Theater. Mit einem Artist-in-Residence-Programm, Workshops, Festivals, regionale Ausstellungen und Symposien setzt der Verein sich aktiv für die Kunstproduktion, die regionale Vernetzung, die kulturelle Jugendarbeit, das Mitwirken in der nationalen und internationalen Kulturszene ein. Als Ankerpunkt der Neuen Auftraggeber kann Schloss Bröllin an diese Erfahrungen anknüpfen und dabei seinen methodischen und geografischen Handlungsradius erweitern und die Projektarbeit in Vorpommern und in der polnisch-deutschen Grenzregion begleiten.

© Kunstverein Schwerin für Mecklenburg und Vorpommern e.V
Kunstverein Schwerin für Mecklenburg und Vorpommern
Der Kunstverein Schwerin wurde 2002 gegründet, um ein Forum für zeitgenössische bildende Kunst zu etablieren. Seither wurden diverse Ausstellungen und Projekte realisiert, zunächst an unterschiedlichen Orten wie leerstehenden Ladenlokalen oder dem Schweriner Dom. Heute ist der Kunstverein in den ehemaligen Industriehallen des E-Werks am Pfaffenteich zu Hause. Seit Oktober 2015 ist Andreas Wegner künstlerischer Leiter und Geschäftsführer. Er hat das ambitionierte Profil des Vereins weiter ausgebaut. Ein Ankerpunkt der Neuen Auftraggeber zu sein ist für ihn eine Chance, sich für Menschen im gesamten Bundesland zu öffnen. Er will durch Pilotprojekte Modellstrukturen fördern, die ein breiteres Verständnis für kulturelle Produktion und Identität in den Regionen wecken sollen.

© Museum Abteiberg
Museum Abteiberg
Das Museum Abteiberg in Mönchengladbach verfügt über eine herausragende Sammlung und Museumsarchitektur. Darüber hinaus hat die Institution einen langfristigen Prozess angestoßen, in dem sie sich neu erfindet und sich für die Menschen der Stadt öffnen will. Museumsdirektorin Susanne Titz führt das Haus seit 2004. Sie betont den besonderen Stellenwert des Museums, das inmitten des wirtschaftlichen und demografischen Strukturwandels mit vielen Projekten in die Stadt hinein wirkt. Als Ankerpunkt der Neuen Auftraggeber kann das Haus neue Modelle der Bürgerpartizipation anregen und umsetzen. 2016 zeichnete der Internationale Kunstkritikerverband AICA das Museum Abteiberg als „Museum des Jahres” aus.

© Brandenburgischer Kunstverein Potsdam e.V
Brandenburgischer Kunstverein Potsdam
Der Brandenburgische Kunstverein Potsdam (BKV) hat seinen Sitz seit 2011 im Bürgergarten Freundschaftsinsel. Dieser Ort ist ein Schmelztiegel aller denkbaren Besuchergruppen: Von der Anwohnerin aus der Altenresidenz bis zum außereuropäischen Touristen reicht das Publikum des BKV. Der langjährige künstlerische Leiter Gerrit Gohlke versteht den Verein auf der Freundschaftsinsel als Modellprojekt für den direkten Dialog mit dem Publikum und hat dessen Arbeit auf die ländlichen Regionen Brandenburgs ausgeweitet. Als Partner der Neuen Auftraggeber entwickelt der BKV bereits seit 2010 Projekte mit internationalen Künstlern und Bürgern brandenburgischer Regionen. Damit hat der Verein Brücken zwischen dem Kunstbetrieb und dem regionalen Umland geschlagen.
