Art Living Lab
Neue-Auftraggeber-Initiativen in Spanien, Kroatien und Deutschland haben sich für ein gemeinsames Projekt zusammengetan. 2025 und 2026 arbeiten sie an Art Living Lab to Repair the Land. Die von der EU geförderte Kooperation begegnet ökologischen und sozialen Nachwirkungen von Industrie und industriellem Wandel mit Kunst im Bürgerauftrag. Grundlage ist der Bedarf nach „Just Transition“ – also einem gerechten Übergang zu klimaneutralen Industrien. Wie bei allen Projekten der Neuen Auftraggeber stehen auch hier lokales Wissen und Bedürfnisse sowie die Zusammenarbeit verschiedener Akteur*innen im Vordergrund.
Im Fokus stehen drei Regionen, die von industriellem Wandel betroffen sind. Im vorpommerschen Wietstock werden die Auswirkungen von Landwirtschaft und industrieller Lebensmittelproduktion vor und nach dem Mauerfall thematisiert. In Barruelo de Santullán in Spanien geht es um die Folgen der Schließung eines kohlebeheizten Wärmekraftwerkes, das einer ganzen Stadt Arbeit gegeben hatte. Und in Šibenik in Kroatien stehen soziale und ökologische Folgen von „Over-Tourism“ im Zentrum, der die frühere Karbidindustrie abgelöst hat.
Die bürgerschaftlichen Aufträge werden mit öffentlichen Workshops und Schulungen in den jeweiligen Ländern begleitet. Eine internationale Publikation stellt die Ergebnisse zum Ende des Projektzeitraums vor. Ziel ist, lokales Wissen sichtbar zu machen, es in größere Diskurse einzubringen und den europaweiten Austausch über regional spezifische Fragestellungen zu stärken.
In Deutschland wird Art Living Lab to Repair the Land vom Kunstverein Rügen e. V. begleitet und umgesetzt. Verantwortlich ist die Mediatorin Susanne Burmester, Vorsitzende der Gesellschaft für Kunst und Mediation im Bürgerauftrag, unterstützt von Lisa Marie Steude. In Spanien betreuen Concomitentes gemeinsam mit der RIA Foundation das Projekt in der Mediation von Alfredo Escapa Presa. In Kroatien übernimmt die Association for Interdisciplinary and Intercultural Research mit Mediatorin Sonja Lebos die Verantwortung.
Länderprojekte
Deutschland: Agriculture Aftermath (Nachwirkungen der Landwirtschaft)
Während der DDR-Zeit arbeiteten die meisten Dorfbewohner*innen von Wietstock in Vorpommern in der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG). Mit dem politischen Wandel wurde diese in ein marktwirtschaftliches Unternehmen mit nur fünf Beschäftigten umgewandelt. Die meisten Einwohner*innen verloren ihre Arbeit, viele verließen die Gemeinde, die lokale Selbstverwaltung wurde abgeschafft.
Heute hat Wietstock rund 120 Einwohner*innen. Sie stehen vor der Herausforderung, ein neues Gemeinschaftsgefühl zu schaffen und gleichzeitig auf den Klimawandel und das Monopol der industriellen Agrarunternehmen zu reagieren. Wie können sie die lokale, vielfältige Landwirtschaft stärken und das Gemeinwohl nachhaltig gestalten?
Spanien: Energy Aftermath (Nachwirkungen der Energiegewinnung)
In der Blütezeit des Kohlebergbaus lebten in Barruelo de Santullán etwa 12.000 Menschen, die auf die eine oder andere Weise mit dem Bergbau verbunden waren. Heute sind dort nur noch 1.200 Menschen zu Hause – größtenteils ehemalige Bergleute im Ruhestand und ihre Familien. Einige von ihnen möchten verstehen, welches materielle und immaterielle Erbe ihnen ihre Vorfahren hinterlassen haben. Sie wollen ihren Nachkommen etwas mitgeben, das hilft, aus Dynamiken und Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Und sie möchten überdenken, was erforderlich ist, damit Menschen und nicht-menschliche Wesen gemeinsam in einem Gebiet leben können, in dem der Kohlebergbau inzwischen durch die Arbeit in der Keksindustrie im nahe gelegenen Aguilar de Campoo ersetzt wurde.
Kroatien: Electricity Aftermath (Nachwirkungen der Stromversorgung)
Der Fluss Krka und seine Wasserfälle ermöglichten es der Stadt Šibenik, als eine der ersten Städte der Welt mit Wechselstrom beleuchtet zu werden. Die rasche Elektrifizierung veränderte die Landschaft rund um den Fluss Krka und gab der industriellen Entwicklung einen starken Auftrieb. Šibenik erlangte zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen besonderen Platz auf der Weltkarte der proto-chemischen Industrie. Diese wurde zu Beginn des 21. Jahrhunderts abgebaut. Die Stadt konzentrierte sich nun auf den – übermäßig wachsenden – Tourismus als Mono-Wirtschaft. Viele Bürger*innen bedauern, dass das industrielle Erbe ihrer Stadt ausgelöscht wurde und fordern, die Erinnerung an jene Industrie festzuschreiben, die die Modernisierung Šibeniks nach dem Zweiten Weltkrieg überhaupt erst ermöglichte.
Art Living Lab to Repair the Land wird aus Mitteln des Programms Kreatives Europa der Europäischen Union ko-finanziert, sowie unterstützt vom Ministerium für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten Mecklenburg-Vorpommern, der Daniel and Nina Carasso Stiftung (Spanien), dem Ministerium für Kultur und Medien der Republik Kroatien sowie der Stadt Zagreb/Büro für Kultur und Zivilgesellschaft (Kroatien). Art Living Lab to Repair the Land wird koordiniert von Concomitentes (Spanien) und gemeinsam entwickelt mit Association for Interdisciplinary & Intercultural Research (Kroatien), Kunstverein Rügen e.V. (Deutschland) und RIA Foundation (Spanien).
