
Die Neuen Auftraggeber von Gersheim
Foto: Lukas RatiusDie Neuen Auftraggeber von Gersheim
Auftraggeber*innen: Tobias Dörflinger, Lia Falkson, Sandro Faltin, Ida Fischer, Ben Frenzel, Ida Gütermann, Jana Hoffmann, Celine Imhof, Josefine Imhof, Paula Knieriemen, Marla Malter, Liann Meyer, Lucie Moosmann, Maximilian Motsch, Alex Müller, Nele Peter, Mats Renner, Felix Schneiders, Arjen Schulz, Paul Schwarz, Alina Seidel, Mona Lisa Stauffer, Linus Wannemacher
Auftrag: Die Situationen auf der Welt machen uns Angst – Krieg, Terror, Rassismus überall. Wir wünschen uns etwas, das uns und anderen Frieden, Hoffnung und Sicherheit schenkt.
Mediatorin: Hannah Mevis
Künstlerin: Reut Shemesh
Zeitraum: 2024 fortlaufend
Programm: Tanz und Performance im Bürgerauftrag
Partner: Kulturstiftung des Bundes
In der Gemeinde Gersheim an der deutsch-französischen Grenze haben Schüler*innen der Gemeinschaftsschule Fragen an die Zukunft. Mit großem Ernst verfolgen sie, was in der Welt passiert. Eskalierende politische Konflikte und die Möglichkeit eines Dritten Weltkrieges, aber auch lokale Krisen wie das verheerende Hochwasser 2024 nennen sie als konkrete Sorgen. Die Angst ist da, in einer Welt erwachsen zu werden, die vielleicht schon verloren ist.
„Dinge, die uns aktuell Angst machen: Kriege z.B. in der Ukraine, das politische Klima in den USA, Terror und Rassismus auch in Deutschland, die Veränderung der Welt durch den Klimawandel.“
Die Neuen Auftraggeber von Gersheim

Die Neuen Auftraggeber von Gersheim
Auftragsunterzeichnung Foto: Lukas Ratius
Die Neuen Auftraggeber von Gersheim
Zusammenarbeit der Auftraggeber*innen in der Schule Foto: Lukas Ratius
Die Neuen Auftraggeber von Gersheim
Mediatorin Hannah Mevis mit den Auftraggeber*innen Foto: Lukas Ratius
Die Neuen Auftraggeber von Gersheim
Zusammenarbeit der Auftraggeber*innen in der Schule Foto: Lukas RatiusBegleitet von der Mediatorin Hannah Mevis und der Lehrerin Lisa Arauz haben 23 Schüler* innen als Neue Auftraggeber von Gersheim einen Auftrag erarbeitet und im Dezember 2024 unterzeichnet. Sie wollen ein Kunstwerk beauftragen, das ihnen selbst und auch anderen Frieden, Hoffnung und Sicherheit schenkt.
Schnell kristallisiert sich in den Gesprächen mit Mediatorin und Lehrerin heraus: Die Auftraggeber*innen im Alter zwischen 11 und 12 Jahren möchten auch in der Gruppe neuen Zusammenhalt finden. Sie legen zum Teil große Distanzen zurück, um zu ihrer Schule zu kommen. Spontane Verabredungen außerhalb des Unterrichts sind schwierig. Sie wünschen sich deshalb für ihren Auftragsprozess, aktiv in die Entstehung des Kunstwerks involviert und dadurch Teil eines Gemeinschaftsprojekts zu werden.
„Zusammenhalt und Respekt sind uns besonders wichtig. Ebenso wollen wir Spaß an der Zusammenarbeit haben, denn Spaß gibt einer Gruppe Leichtigkeit.“
Die Neuen Auftraggeber von Gersheim

Die Neuen Auftraggeber von Gersheim
Visualisierung der Grundlagen zur Zusammenarbeit Foto: Lukas RatiusWie wollen die Auftraggeber*innen für ihren Auftrag gut zusammenarbeiten? Dazu haben sie sich gleich zu Beginn klar verständigt. In einer intensiven Phase mit wöchentlichen Treffen haben sie im Herbst und Winter 2024 Grundlagen und Werte für ihre Zusammenarbeit, aber auch für die Entstehung des Kunstwerkes definiert und veranschaulicht. Auch die Auftragsformulierung entstand auf dieser Grundlage.
Wichtig ist den Auftraggeber*innen außerdem: Der Ort des Geschehens soll ihre Schule sein und etwas von dem Kunstwerk soll dort auch dauerhaft bleiben. Und: Es soll ein Kunstwerk für alle werden, das zum Nachdenken anregt, wie wir in Frieden zusammenleben wollen.
Im nächsten Schritt sucht die Mediatorin Hannah Mevis nun eine geeignete künstlerische Persönlichkeit und schlägt sie der Gruppe vor. Die Auftraggeber*innen wollen außerdem in künftigen Workshops und Unternehmungen Mut und Vertrauen in die eigenen Kräfte festigen, sich mit zeitgenössischer Kunst beschäftigen und ihr Gemeinschaftsgefühl stärken.

Die Neuen Auftraggeber von Gersheim
Zusammenarbeit in der Schule Foto: Lukas Ratius
Die Neuen Auftraggeber von Gersheim
Foto: Lukas RatiusFür die künstlerische Umsetzung ihres Anliegens haben die Auftraggeber*innen denVorschlag von Mediatorin Hannah Mevis angenommen und Reut Shemesh eingeladen. Die Choreografin bringt starke Bilder und Emotionen mit einem hohen Energielevel auf die Bühne und hat die Gruppe damit schnell begeistert. Shemesh arbeitet disziplinenübergreifend mit Tanz, experimentellem Film und Fotografie. Ihr multimediales Schaffen und der Einsatz von Video in vielen ihrer Stücke kommt dem Interesse ihrer Auftraggeber*innen entgegen.
Unter dem Leitmotiv „Uniformen“ beschäftigt sich Reut Shemesh in ihren Arbeiten mit Aspekten rund um Gender und Porträts. Sie versteht Identität als eine Geschichte, die wir uns selbst erzählen – und in der wir letztlich Spuren ganz unterschiedlicher Identitäten in uns wiederfinden, sie nachspielen, tanzen, verkörpern und feiern können. In ihren Arbeiten übersetzt Shemesh Fragen nach Zugehörigkeit, Ausgrenzung, Identität oder Machtverhältnissen in explosive, eindrückliche Szenen, die bei aller Schwere immer auch Stärke und Handlungsmacht vermitteln. Damit berührt ihre Arbeit genau jene Fragen, die auch die Schüler*innen in Gersheim umtreiben.
„Indem ich die äußere Erscheinung bestimmter Kleidungsstile, Körpersprachen oder Tanzformen nachstelle und verkörpere, kommentiere ich Vorurteile und Klischees – und spiele zugleich mit ihnen. Letztlich interessiert mich jedoch vor allem der Mensch, der mir gegenübersteht: möglichst authentisch und frei von allen äußeren Zuschreibungen – sofern ein solcher Zustand überhaupt existieren kann."
Reut Shemesh

Reut Shemesh
© Sabrina Weniger
Reut Shemesh
© Almut ElhardShemesh bringt Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Jugendlichen mit – etwa im vielbeachteten Stück ULTRA, in dem sie sich gemeinsam mit fABULEUS, Belgien, mit Maskulinität und Gruppendynamiken auseinandersetzt. Sie möchte in ihren Stücken choreografische „Gefäße“ für ihre Mitwirkenden und Kooperationspartner schaffen. Dafür entwickelt sie Bewegungen, die deren Persönlichkeit widerspiegeln und bestärken und zugleich mit Shemeshs eigener ästhetischer Sprache im Einklang stehen. Zeitgenössischer Tanz steht in ihren Choreografien gleichwertig neben anderen Bewegungspraktiken aus Jugendkultur und Folklore.
Sie zeigt ihre Arbeiten an renommierten Häusern im In- und Ausland, darunter die TanzPlattform Deutschland, HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste in Dresden, auf Kampnagel Hamburg, im Brunx-Theater in Brüsselund im Suzanne Dellal Center Tel Aviv. Sie war „Factory Artist“ am tanzhaus nrw in Düsseldorf und wurde vielfach für ihre Arbeit ausgezeichnet, u.a. mit dem Kölner Tanz- und Theaterpreis. Neben ihrer künstlerischen Tätigkeit ist sie als Dozentin an verschiedenen Hochschulen aktiv.
Im nächsten Schritt erarbeitet Reut Shemesh einen künstlerischen Entwurf für den Auftrag.