Sonnabend, 13. Dezember 2025, 11–15.30 Uhr
Lindenstraße 35, 10969 Berlin
In englischer Sprache
Teilnahme kostenfrei
Begrenzte Teilnehmendenzahl
Anmeldung unter veranstaltung.at.neueauftraggeber.de
Workshopinhalt
Die Ökologie der Fürsorge bietet einen kritischen Rahmen für die Bewältigung der miteinander verflochtenen ökologischen und sozialen Krisen des Anthropozäns – dem Zeitalter, das durch den Einfluss des Menschen geprägt ist. Ausgangspunkt ist ein grundlegender Perspektivwechsel: die Erkenntnis, dass die langjährige Fokussierung auf den Menschen die Ausbeutung und Zerstörung der Natur begünstigt hat. Ausgehend vom Posthumanismus und dem neuen Materialismus argumentiert die Ökologie der Fürsorge, dass Pflanzen, Tiere und andere Materialitäten nicht nur Ressourcen sind, sondern Akteure mit eigener Handlungsfähigkeit. Dieses Konzept definiert Fürsorge neu und hebt sie über individuelle oder medizinische Kontexte hinaus zu einer systemischen, ethischen und politischen Haltung. Es basiert auf der etymologischen Bedeutung von „curating” (vom lateinischen curare, was „sich kümmern” oder „pflegen” bedeutet). Im Wesentlichen zwingt uns die Ökologie der Fürsorge zu der Frage: Wie entwickeln wir neue Denk- und Handlungsweisen, die die Fürsorge für die soziale Welt mit der Fürsorge für die natürliche Welt verbinden?
Unsere Referentinnen werden veranschaulichen, dass die Ökologie der Fürsorge eine aktive, fundierte Praxis ist – eine Form des feministischen Widerstands und ein Hort essenziellen Gemeinschaftswissens. Sie verbinden architektonische, städtebauliche und künstlerische Praxis mit den entscheidenden, oft unsichtbaren Pflegeaufgaben, die überwiegend von Frauen wahrgenommen werden. So könnten wir ein Verständnis dafür entwickeln, wie kulturelle Arbeit neu gedacht werden kann: wie können wir „Kuratieren” und kreative Praxis als aktive Arbeit zur Pflege und Aufrechterhaltung von Beziehungen betrachten, anstatt nur Objekte oder Ausstellungen zu verwalten.
Impuls 1: Sonja Leboš: Place Care from a Feminist Perspective – Case Studies from Croatia
Die Präsentation konzentriert sich auf die Strategien einer Künstlerin, deren Arbeit tief in der feministischen Theorie und Praxis verwurzelt ist. Dazu werden zwei Kunstwerke von Adriana Fridrih Lekić vorgestellt: The Quiet Mass und From 5 to 95. The Quiet Mass ist ein Werk, das „nicht nur von der Stadt handelt, sondern explizit in der Stadt stattfindet“ (Rosalyn Deutsche) und sich gegen die extreme religiöse Bewegung von Männern richtet, die jeden ersten Samstag im Monat in allen größeren Städten Kroatiens passiv-aggressiv für ihre Dominanz über Frauen beten. From 5 to 95 ist eine Videosammlung von Gesprächen mit Mädchen und Frauen, die ein Jahr ihres Lebens im Alter von fünf bis fünfundneunzig Jahren präsentieren. Die Präsentation wird dieses Werk theoretisch einordnen und in Beziehung zu Raumplanungen stellen, die Bedürfnisse weiblicher Bürgerinnen berücksichtigt. Dabei wird auf Theorien und Praktiken verwiesen, die sich für Geschlechtergleichheit, Intersektionalität, Partizipation und die Vorstellung von Orten als im Wesentlichen offen und hybrid, umstritten und provisorisch (Doreen Massey) einsetzen.
Sonja Leboš, Ph.D., Kulturanthropologin, Expertin für Kulturtourismus und Kunstpädagogin, verteidigte im November 2022 ihre Doktorarbeit mit dem Titel „Stadt im Film, Film in der Stadt: Zagreb 1941–1991, kulturanthropologische Perspektive“. Außerdem studierte sie Bühnenbild und Architektur in Prag und Zagreb. Ihre Aktivitäten liegen in den Bereichen Kultur- und Stadtforschung, Bildung und Produktion in Kunst und Kultur, visuelle und städtische Anthropologie sowie Diskursanalyse. In ihrer künstlerischen, kuratorischen und wissenschaftlichen Arbeit sucht sie die Grenzbereiche des narrativen Urbanismus mit den bildenden Künsten, dem Designs, der Theorie und Praxis der Performativität, dem Film und den neuen Medien zu verschmelzen. Sonja Leboš ist Gründerin der Association for Interdisciplinary and Intercultural Research.
Impuls 2: Hannah Mevis: Tethys, today I washed my eyes in the riverbed! – Field Report on a project in Asturias/Spain
Hannah Mevis gibt Einblicke in ihre Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Frauen aus Asturien. Sie wird ihre Forschungsarbeit vorstellen und auf die Rolle von Wasser als fluidem Partner eingehen, wenn es darum geht, gemeinsames Wissen und Gemeinschaft zu verstehen. Im Frühjahr 2025 war Hannah Mevis Artist in Residence bei LABoral in Gijón, Spanien, wo sie an dem Projekt „Tethys, today I washed my eyes in the riverbed!“ arbeitete. Hier erforscht sie die Geschichte der Lavaderos, gemeinschaftlicher Waschhäuser und Orte des Austauschs für Frauen. Mit Interesse an der ursprünglichen Bedeutung von Klatsch (d. h. Wissen, das mit einer vertrauten Person geteilt wird) sammelte sie mündliche Zeugnisse über das Leben in Asturien in den 1960er- und 1970er-Jahren unter Francos Spanien und deren Perspektiven auf die Gegenwart. Es ist zwar noch nicht klar, in welcher Form dieses Material in das Werk der Künstlerin einfließen wird (z. B. Doku-Fiktion, Installation, Lied ...), aber es wird zweifellos die Verflechtung von Gemeinschaft, Hausarbeit, weiblichem Wissen und der unermüdlichen Arbeit der Pflege thematisieren.
Hannah Mevis ist Künstlerin und Mediatorin für Kunst im Bürgerauftrag. Mit einem multidisziplinären Ansatz untersucht sie die Wahrnehmung des menschlichen Körpers und die sozialen Strukturen, die er verkörpert. Sie arbeitet konzeptuell und interessiert sich besonders dafür, die physischen Erfahrungen der Betrachter über das Visuelle hinaus zu provozieren, beispielsweise durch Fühlen, Schmecken, sich Kleiden und Bewegen, indem sie die Sinne anregt und zu gemeinsamen Erfahrungen einlädt. Nach ihrem Abschluss an der HBKsaar (2017) absolvierte sie das Postgraduierten-Studio-Programm am Higher Institute of Fine Arts (HISK) in Gent, Belgien (2018–19).
Programm
Begrüßung durch Susanne Burmester, Vorsitzende der Gesellschaft für Kunst und Mediation im Bürgerauftrag e. V.
11.30 Uhr
Impuls/Vortrag und Diskussion: Sonja Leboš, Place Care from a Feminist Perspective – Case Studies from Croatia
12.30 Uhr
Mittagspause
13.30 Uhr
Impuls/Bericht und Diskussion: Hannah Mevis, Tethys, today I washed my eyes in the riverbed! – Field Report on the artist’s project in Asturias/Spain
14.30 Uhr
Kaffeepause
15 Uhr
Art Living Lab to Repair the Land: Vorstellung des Europäischen Projekts durch Alicia Ruiz Muńoz, Concomitentes (Spain) im Gespräch mit den Mediator*innen Susanne Burmester, Sonja Leboš und Alfredo Escapa Presa
Ende gegen 15.30 Uhr
Teilnahme
Die Anzahl der Teilnehmenden ist begrenzt. Wir bitten um Anmeldung bis zum 7. Dezember unter veranstaltung.at.neueauftraggeber.de.
Die Veranstaltung wird analog und in englischer Sprache durchgeführt. Die Teilnahme ist kostenlos.
Veranstalter
Kunstverein Rügen e. V. und Circus Eins Projekte
Partner
Gesellschaft für Kunst und Mediation im Bürgerauftrag e. V.
Die Gesellschaft der Neuen Auftraggeber – GNA gGmbH
Concomitentes (Spanien)
Die Veranstaltung findet im Rahmen von Art Living Lab to Repair the Land statt. Das Projekt befasst sich nicht nur mit der Reparatur von Schäden, sondern auch mit dem Umdenken, der Rückeroberung und der Neugestaltung geschädigter Gebiete. Es umfasst drei Projekte in geschädigten Gebieten: „Energy Aftermath” in Barruelo de Santullán (Spanien), „Agriculture Aftermath” in Wietstock (Deutschland) und „Electricity Aftermath” in Šibenik (Kroatien). Das Projekt wird vom Programm „Kreatives Europa” der Europäischen Union kofinanziert, von Concomitentes (Spanien) koordiniert und gemeinsam mit der Association for Interdisciplinary & Intercultural Research (Kroatien), dem Kunstverein Rügen e. V. (Deutschland) und der RIA Foundation (Spanien) entwickelt.
Das Projekt wird im Rahmen des Programms „Kreatives Europa“ der Europäischen Union unter der Fördervereinbarung Nr. 101173701 gefördert. Kofinanziert von der Daniel und Nina Carasso Stiftung (Spanien), dem Ministerium für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten Mecklenburg-Vorpommern (Deutschland) und dem Ministerium für Kultur und Medien der Republik Kroatien, Stadt Zagreb – Amt für Kultur und Zivilgesellschaft (Kroatien).
Weitere Informationen: artlivinglab.eu